16.05.2023 - Die digitale Strategie – Mut zu mehr Radikalität

 

 

 

«Zuerst gab es die analoge Uhr am Handgelenk – die Informatisierung. Es folgte die digitale Uhr mit einem Display – die Digitalisierung. Heute sind wir mit der Smart Watch bei der digitalen Transformation: Ein multifunktionales Gerät, bei dem Zeit ablesen fast der kleinste Nutzen ist. Die Uhr misst den Puls, spielt Musik, empfängt Nachrichten und vieles mehr», sagt Nino Tomasone. Er ist Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Digital Impulse AG – ein Beratungsunternehmen für Digitalisierungsthemen sowie Alumnus des CAS Verwaltungsrat bei Rochester-Bern. Mit dem Uhren-Beispiel zeigt er auf, wie stark die digitale Transformation eine Branche verändern und neue Möglichkeiten eröffnen kann.

Die technologische Innovation steht heute mehr denn je im Zentrum von jedem wirtschaftlichen Tun. «Wenn Ihr Unternehmen keine E-Mails mehr versenden kann, steht es so gut wie still. Fällt die Buchhaltungssoftware aus, können unter Umständen keine Rechnungen mehr erstellt und den Kunden zugestellt werden. Eine Firma ohne Webseite und die auf Google nicht sichtbar ist, existiert im digitalen Raum quasi nicht», so Tomasone. Trotzdem wird dem Thema gerade von KMU oft noch weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als im Grunde genommen nötig wäre und nur etwa die Hälfte der KMU verfügen über eine digitale Strategie*. Dabei handelt es sich bei der digitalen Transformation um ein absolutes Querschnittsthema, welches unbedingt auch eine umfassende Beleuchtung und Strategie benötigt.
 

Unternehmensstrategie und digitale Transformation

Ob ein Unternehmen eine separate digitale Strategie erstellen sollte, diese in die Unternehmensstrategie integriert oder in die IT-Strategie einfügt, ist abhängig von der Grösse des Unternehmens und der Branche. Grundsätzlich gilt, dass kleinere Unternehmen das Digitale eher in der Unternehmensstrategie verankern, während grössere Firmen mehrheitlich über eine separate Digital-Strategie verfügen. Wichtig ist, dass Unternehmen sich mit dem Thema möglichst in seiner vollen Breite befassen und dabei insbesondere die folgenden fünf Punkte beachten:

  1. Kund/-innen-Fokus & Umwelt: Als Erstes sollte ein Unternehmen seine Kundinnen und Kunden kennen. Das Unternehmen muss wissen, welche Bedürfnisse diese haben und wie sie sich im digitalen Raum bewegen. Auch die Umweltanalyse, die Marktanalyse und die Konkurrenzanalyse gehören in diesem Punkt mit einbezogen.

  2. Produkte und Dienstleistungen: Sind die Produkte und Services auf die Kund/-innen ausgerichtet? Welchen Mehrwert bringen sie den Kund/-innen und deren Endkund/-innen? Und sind die Produkte oder Dienstleistungen bezüglich Digitalisierung auf dem neusten Stand resp. wie könnten sie mit der Unterstützung durch digitale Technologien weiter entwickelt werden?
  3. Verkauf, Marketing und Branding: Auch dieser Bereich muss auf die Kund/-innen ausgerichtet sein. Zudem sollten auch hier die digitalen Technologien optimal eingesetzt werden und die unterschiedlichen Kanäle aufeinander abgestimmt sein.
  4. Das Innere des Unternehmens: Bei diesem Punkt geht es darum zu analysieren, wie das Unternehmen aufgebaut ist und inwiefern die Prozesse optimiert sowie digitalisiert sind. Auch die Arbeitsbedingungen gehören in diesen Bereich: Über welchen Freiheitsgrad verfügen die Mitarbeitenden? Wie sieht der Führungsstil aus? Welche Unternehmenskultur herrscht im Unternehmen? Gerade in Anbetracht des Fachkräftemangels sind dies wichtige Punkte.
  5. Die Unternehmens-IT: Die IT sollte eine gute User Experience für Kunde/-inne und Mitarbeitende vorweisen, schnell, einfach und sicher sein – Schlagworte sind hier: Performance, Cyber Security sowie Datenschutz. Wichtig ist auch, dass Unternehmen bereit sind, bestehende IT-Infrastrukturen regelmässig zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Fragen wie: «Ist unser IT-Partner in Anbetracht der heutigen Unternehmensgrösse, der Ausgangslage und der Firmenziele noch der Richtige?» gehören in diesen Bereich.
     

Grosse Veränderungen wagen

«Haben Sie den Mut auch gewisse radikale Ideen in die Strategie einfliessen zu lassen und nicht nur kleine Weiterentwicklungsschritte anzugehen. Wir sehen oft, dass Firmen, wie z.B. die bekannten amerikanischen Tech-Giganten und Unicorns, plötzlich ganze Branchen umkrempeln. Hierzu braucht es den Mut, grosse Ideen zu haben und die damit einhergehenden Veränderungen anzustreben», sagt Tomasone als zusätzlichen Tipp für das Erstellen einer digitalen Strategie und deren Umsetzung. Beispiele disruptiver Veränderungen sind etwa, der Wechsel von physischen Tonträgern zu den Musik-Streamingdiensten oder die Umstellung von Handys zu Smartphones. All diese disruptiven Innovationen sind entstanden, weil jemand den Mut hatte eine radikale Idee mit einer gezielten  neue Strategie in die Realität umzusetzen. Auch in den nächsten Jahren werden noch unzählige derartige Umbrüche im Rahmen der digitalen Transformation stattfinden.

Bei der Umsetzung der Strategie können Unternehmen mit Proof of Concepts (PoC), Prototypen und Minimum Viable Products (MVP) sowie Pilot-Tests arbeiten. «Hier können Sie im Kleinen beginnen und ein neues Produkt in einer minimal nutzbaren Ausprägung oder eine neue Dienstleistung erstmals bei einem langjährigen Kunden testen. Dadurch kann der Kunde beteiligt werden das Produkt mitzuentwickeln. Ihr Unternehmen wiederum, kann anhand der Nutzerfeedbacks schneller lernen und möglichst frühzeitig Fehlentwicklungen vermeiden», erklärt Tomasone. In anderen Worten: Erstmals die Ideen gross denken und diese anschliessend in kleinen, gezielten Schritten umsetzen und ausprobieren.
 

Trends erkennen und ein Netzwerk aufbauen

Eine der Schwierigkeiten der digitalen Transformation besteht darin, zu erkennen, in welche Richtung sich technologische Innovationen entwickeln. Tomasone verfügt mit seinem Unternehmen Digital Impulse AG über ein etabliertes Partnernetzwerk und damit Kontakte zu Unternehmen, die sich in spezifischen Bereichen der digitalen Technologien auskennen. Seine Mitarbeitenden und er befassen sich alltäglich mit digitalen Trends. «Die Informationsflut hierzu ist riesig. Es kostet einiges an Zeit, sich damit zu befassen und es ist auch immer eine gewisse Vorsicht geboten: Es gilt jeweils zu unterscheiden, ob etwas nur gehypt wird, z.T. aus Eigeninteresse oder ob es sich wirklich um eine realistische Prognose handelt», so Tomasone. Entsprechend wichtig ist es auch, sich die Verfasser solcher Berichte und deren Quellen genau anzuschauen.

Ein gutes Partner-Ökosystem ist eine wichtige Komponente von Digital Impulse AG. «Als Beratungsunternehmen mit der Generalunternehmer-Funktion sind wir der kompetente Begleiter in der digitalen Transformation, wenn es um die Analyse, Strategiearbeit und Umsetzung des Business Shifts in die digitale Welt geht. Dabei schöpfen wir aus breiter Erfahrung und pflegen ein grosses Partner-Netzwerk im Digitalisierungs-/ICT-Umfeld. Aufgrund der thematischen Breite der Digitalisierung sind wir auf Spezialisten aus unterschiedlichen Technologie- oder Fachbereichen angewiesen, die wir bei Bedarf hinzuziehen können», so Tomasone. In dieser Hinsicht hat ihm die Weiterbildung CAS Verwaltungsrat bei Rochester-Bern geholfen, die er 2016 absolviert hat. Noch immer greift er auf einzelne Inhalte der Weiterbildung und das Netzwerk seiner damaligen Klasse zurück und hat dadurch Kontakte zu Partnerfirmen geknüpft. Grundsätzlich hat ihn das Studium bei Rochester-Bern bei der Gründung seines Unternehmens gestärkt. So hat es ihn beispielsweise darin ermutigt, eine Aktiengesellschaft und nicht eine GmbH zu gründen. Vieles, was er im Studiengang bei Rochester-Bern gelernt hat, kann er somit in seiner Rolle als Verwaltungsratspräsident eins zu eins anwenden.
 

Blick in die Zukunft

Gemäss Tomasone wird die künstliche Intelligenz ein zunehmend dominierendes Thema sein, das auch die KMU in der einen oder anderen Form beschäftigen wird. Wobei KMU gewisse Veränderungen durch die künstliche Intelligenz erstmals vielleicht gar nicht als solche erkennen mögen. Eine Webseite, die automatisch auf eine andere Sprache übersetzt wird, basiert beispielsweise heute schon grösstenteils auf künstlicher Intelligenz, ohne dass dies die Nutzer/-innen auf den ersten Blick bemerken. Einen weiteren Trend sieht er in der digitalen Vermarktung; diesbezüglich werden Social Media, die Präsenz bei Google und möglicherweise auch im sogenannten Metaverse noch weiter an Bedeutung gewinnen. Zudem werden auch Daten immer wichtiger (Stichwort «Data Driven Business»), anhand welcher KMU ihre Entscheidungen fundierter fällen können. «KMU werden vermehrt lernen müssen, wie sie an die für ihr Unternehmen relevanten Daten kommen und diese möglichst zielführend einsetzen können, um mit dem zunehmend härter werdenden Wettbewerb mithalten zu können», so Tomasone. Es gibt im Rahmen der digitalen Transformation also noch viel zu tun. Weiterbildungen, wie das CAS KMU-Management von Rochester-Bern und externe Beratungsdienstleistungen wie jene von Digital Impulse AG können KMU helfen, auf dem neusten Stand zu bleiben und das Unternehmen erfolgreich in die (digitale) Zukunft zu führen.

// Blog-Beitrag von Rochester-Bern Executive Programs, 11. Mai 2023

 

* Quelle: Forschungsresultate zur Strategieentwicklung im digitalen Zeitalter

 

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